An der Schillingbrücke
Berlin, Bundesland Berlin 10243

live: ARCHITECHTURE IN HELSINKI
support: Tilly & The Wall
Was, bitteschön, soll auch aus einem Land kommen, in dem das Wasser GEGEN den Uhrzeigersinn in den Abfluss strudelt und in dem die Tiere ihre Kinder in einem Bauchbeutel mit sich herumtragen? Wir wissen so viel: ARCHITECTURE IN HELSINKI sind weder Finnen noch mit Bauzeichnung und Statik vertraut, es handelt sich viel mehr um acht offenbar mehr oder minder durchgeknallte Australier. Daheim in Melbourne trifft sich die achtköpfige Horde in ihrem Clubhouse/Studio, das sie ?Super Melody World? getauft hat. Hier entfachen die acht Freunde ein Tischfeuerwerk aus frechen Popeffekten ? genauer gesagt nicht nur die Band selbst. Auch wer bereit ist, für ein Stück Pizza auf die Steeldrums zu hauen, ist gerne eingeladen, vorbei zu schauen und mitzumachen. 40 Freunde, Könner wie Dillettanten, haben sich letztlich auf den Aufnahmen zu ?In Case We Die? verewigt, dem zweiten Album der sympathischen Chaotentruppe, das hier vor Euch liegt. Super Melody World ? dieser Name ist Programm. Klingt wie ein Erlebnispark, klingt nach Luftballons, Zuckerwatte und Achterbahnfahrten aus Musik. Hier ist eine Melodie nie genug, wenn man auch 50 einsetzen kann. Hier entstehen Lieder, die binnen Sekunden von Genre zu Genre springen. Lieder, die die Klangfarbe wechseln wie ein Chamäleon in der Großraumdisko. Mit der Begeisterung krakeelender Kinder werden fast zu viele Ideen durch den Raum gefeuert ? wenn es so was wie ?zu viele Ideen? geben würde. (Gibt es nicht.) Opernsänger knödeln. Tubas blubbern. Synthies fiepen. Verstimmte Chöre tauchen aus dem Nichts auf. Katzen miauen ins Mikrophon. Militärs stampfen einen Marsch. Und schon ist der Song vorbei und der nächste fängt mit neuen Ideen an. ?Solche Musik macht doch niemand!? fällt ?Music For Robots? dazu ein. Rob Mitchum von Pitchfork Media klingt dagegen plausibel, wenn er von der ?Kanal-zappenden, sekundenschnell geschnittenen, Multi-task Geschwindigkeit unserer ADS-Generation? schreibt und den Schluss zieht, dass ARCHITECTURE IN HELSINKI einer Gruppe von Bands angehören, die ?im Gegensatz zu Bands der späten Nineties, die von den Frikasseekochbüchern eines Beck Hansen geprägt waren, die Erbsen, das Chicken Alfredo und den Keks auf seinem Teller zwar streng voneinander trennt, letztlich aber doch in einem Song serviert.? Aha. Das lassen wir einfach mal so stehen und kümmern uns um die Fakten. Also: AIH bestehen aus den Multi-Instrumentalisten Cameron Bird, James Cecil, Gus Franklin, Isobel Knowles, Jamie Mildren, Sam Perry, Tara Shackell und Kellie Sutherland ?In Case We Die? ist das zweite Album des seit 2000 bestehenden Oktetts ? das Debüt ?Fingers Crossed? wurde noch unorthodoxer nur zum Teil in ?richtigen? Studios aufgenommen, sonst überall, wo sich die Gelegenheit bot (z.B. Strandhäuser). Dieser Erstling erschien 2002 in Australien zum Geräusch allgemeinen Kopfkratzens, entwickelte sich aber mit seinem verspäteten Erscheinen in den Staaten (2004) zum Überraschungs-Undergrounderfolg. Der Euch vorliegende Nachfolger ?In Case We Die? wurde dementsprechend bereits mit offenen Armen empfangen ? im Sommer absolvierte der Australien-Achter eine 38-Daten-Tour mit vielen ausverkauften Shows durch die USA und England. Die Geschmackszentralen haben die Combo längst ins Herz geschlossen. So gelten ARCHITECTURE IN HELSINKI heute als ?die nächsten Arcade Fire?, in dem Sinne, dass man ihnen als auch Vertreter des äußersten Randes des Spektrums gute Chancen auf massenkompatiblen Erfolg zutraut. Und wenn wir wirklich die Generation der schnellen Schnitte sind, klingt das gar nicht so abwegig. Zapper und Zappelphilips, aufgepasst! Hier kommt die Band für unsere Aufmerksamkeitsspanne. Straight from Super Melody World: ARCHITECTURE IN HELSINKI.

Added by Berlinista.com on April 24, 2006