Various Location, see link.
Vienna, Vienna

Musik kann, was die Politik sehr oft nicht kann: Miteinander arbeiten, auf den Anderen hören, gemeinsame Projekte entwickeln, Sorgen verscheuchen, der Freude wie der Trauer Ausdruck geben. Aufbauen statt kaputtmachen ...
Das sind – quasi als Nebeneffekt – einige der Ergebnisse, wenn sich Musikanten verschiedener Länder und Kulturen aufeinander einlassen. Eine Menge solcher Beispiele wird es auch beim diesjährigen Festival Balkan Fever zu sehen und zu hören geben. Finden Sie heraus, was dabei besonders gut funktioniert, außergewöhnlich originell ist oder auch extremen Spaß macht. Oder wählen Sie einen ganz anderen Zugang: Sie wollen heuer nur Bläser, nur Sängerinnen, nur Großformationen hören? Alles da – nur hereinspaziert. Und wie immer: viel Vergnügen.

Norbert Ehrlich

Seit Bestehen unseres Festivals hat sich die Musiklandschaft hierzulande rapide verändert, im positiven wie negativen Sinn. Was vor Jahren noch als Exotikum bestaunt wurde, ist zur Selbstverständlichkeit geworden, andererseits beobachten wir mit der größeren Breitenwirkung balkanischer und orientalischer Musikformen auch eine gewisse Verflachung und Kommerzialisierung der Szene. Eine logische wie notwendige Entwicklung, an der BALKAN FEVER zwar indirekt teilhatte, aber sich nicht beteiligen will. Wir setzen weiter auf STILISTISCHE VIELFALT, TRANSNATIONALITÄT und QUALITÄT.

Dabei ist es uns ein Anliegen, neben den arrivierten Stars der diversen Szenen (sei es World, Jazz oder Rock, sei es traditionelle Musik oder klassisch inspirierte Kunstmusik) die Aufmerksamkeit des Publikums auf hierzulande noch nicht so bekannte Künstlerinnen und Künstler sowie Newcomer zu lenken, deren phantastische Stimmen und Sounds sonst vom Getöse des „Balkan-Business“ erstickt würden …

Mit dem nunmehr 5. BALKAN-FEVER-Festival wollen wir uns und unser Publikum mit einem besonders delikaten Programm belohnen, das voll der Magie des Unerwarteten ist und in seiner Vielfalt kaum übertroffen werden könnte. Weiters fahren wir mit dem Ansatz fort, den Südosten Europas nicht als faszinierend bäuerlichen Regionalismus zu zelebrieren, sondern die Weltläufigkeit dieses langgestreckten Kontinuums hervorzustreichen, und zwar nicht im Sinne ökonomischer, sondern künstlerischer Bereicherung, nicht aus dem paternalistischen Fokus des Westens, sondern der Künstler selbst – vor Ort. Dabei verweigern wir uns lustvoll der alten und neuen Frontlinien zwischen Orient und Okzident, sondern präsentieren die üppige Ernte jener Felder, die quer zu diesen fiktiven Fronten gedeihen. Wir setzen auf Projekte, in denen Künstler und Künstlerinnen unterschiedlicher Pässe zusammenarbeiten (und sich auch nicht einander entfremden, weil die einen Tickets in die EU haben und die anderen nicht).

Richard Schuberth

Vorschau

Um es konkret zu machen. Fangen wir mit den Stars an: Mit den Taraf de Haïdouks haben wir eine der besten Romabands der Welt zu Gast, die bei Balkan Fever ausschließlich klassische Musik (aber à la mode des tziganes) zum Besten geben wird. Untypisch auch die drei Balkanbrassbands des Festivals (so viele hatten wir noch nie): Das Original Kočani Orkestar aus Mazedonien und Karandila aus Bulgarien werden das österreichische Tanzpublikum vornehmlich ungerade Rhythmen lehren, und mit Fanfara Tirana haben wir das seltene Beispiel einer albanischen Brassband zu Gast, womit auch vor der hier vor der beinahe unbekannten, aber musikalisch unendlich reichen albanischen Kultur der Hut gezogen werden soll.

Zwei weniger „ethnische“, aber umso gediegenere Brassbands werden die Aktualität des Big-Band-Jazz bezeugen. Das HGM Jazzorkestar Zagreb mit Kompositionen des großen Charles Mingus und die niederösterreichische L.A. Big Band, die mit der kosovarischen Sängerin Irina Karamarković ein furioses Programm mit Kosovobezügen zusammengestellt hat. Deren Ex-Kollegin vom Sandy Lopičić Orkestar, Nataša Mirković De Ro wird ihr ambitionietes multiethnisches „Berg-Projekt“ präsentieren, mit Liedern der balkanischen Bergregionen. Und die in Budapest lebende World-, Folk- und Balkanjazz-Legende Nikola Parov wird mit seinem Quartett die Verbindungen zwischen balkanischer und irischer Musik erforschen.

Zwei Größen und Modernisierer der ungarischen Roma-Tradition ist das Festival ebenfalls stolz, eingeladen zu haben: Cimbalom-Virtuose Kalman Bálogh und die Band Romengo mit ihren rollenden, mitreißenden Vokalimprovisationen.

Auch dem so genannten Underground, dem in Ex-Jugoslawien immer eine subversive wie integrative Funktion beikam, sei heuer Reverenz erwiesen – und zwar in seinen klügsten und untypischsten Ausformungen: Die schrägen Gustafi aus Pula, Istrien, und die mazedonische Cabaret-Punk-Jazz-Folk-Band Foltin aus Bitola sowie die bulgarische Reggea-Institution Root Souljah.

Der vielleicht größte und schmackhafteste Leckerbissen: die Kooperation des syrisch-armenischen Oudspielers und Sängers Haig Yazdjian und des krim-tatarischen Tapping-Gitarren-Meisters Enver Izmailov, womit der Balkan folgerichtig in den Orient übergleitet (wo er immer auch schon war).

Ein Jazzpiano-Schwerpunkt im Porgy & Bess beschert uns Konzerte des Istanbuler Jazz- Und Klassik-Pianisten Sabri Tulug˘ Tirpan, des Bulgaren Antoni Donchev sowie des Serben Vasil Hadžimanov (in einer denkwürdigen Kooperation mit dem mazedonischen Gitarristen Toni Kitanovski und dem bulgarischen Kaval-Experimentator Theodosii Spassov). Und bei einem 5-Jahres-Jubiläum dürfen natürlich die ewig jungen Pioniere des Balkan-Folk in Österreich, ohne die das alles nicht möglich gewesen wäre, – die Wiener Tschuschenkapelle nicht fehlen.

Official Website: http://www.balkanfever.at/

Added by walterra on April 19, 2008

Interested 1